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Beckenschiefstand

Mit Dr. med. Michael Lehnert und Jan Frieling
Beckenschiefstand erkennen

Da warst du so diszipliniert, hast dich mehrere Tage die Woche zum Sport aufgerafft, doch plötzlich machen dir stechende Schmerzen im unteren Rücken zu schaffen und du hast das Gefühl, irgendwie „nicht rund“ zu laufen? Dahinter könnte ein Beckenschiefstand stecken! Dumpfe Schmerzen im hinteren Rücken, die bis auf die Fersen ausstrahlen, oder sich als ziehender Schmerz im Gesäß äußern, deuten auf einen Schiefstand der Beckenstrukturen – ein Leiden, mit dem du nicht allein bist. Wir verraten dir hier, wie sich ein solcher Beckenschiefstand äußert, was die Gründe dafür sind und was du gegen einen Beckenschiefstand tun kannst. 

Themenübersicht

 

Welche Beschwerden treten bei einem Beckenschiefstand auf?

Bei einem Beckenschiefstand, steht – wie der Name schon sagt – das Becken, das aus Hüftbeinen, dem Kreuzbein und dem Iliosakralgelenk (auch ISG genannt) besteht, nicht mehr gerade. „Im gesunden Zustand bildet unser Becken eine Horizontale, das heißt, das weder die rechte, noch die linke Seite hochsteht“, sagt unser PRIME TIME-Experte Orthopäde Michael Lehnert. Auch in der Vertikalen ist das Becken im gesunden Zustand in einer neutralen Position und ist, wenn wir es uns von der Seite angucken, weder nach vorne noch nach hinten gekippt. 

Bei einem Beckenschiefstand verschiebt sich diese Position. Dabei kann das Becken sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen verschoben sein, also entweder nach vorne oder hinten kippen, oder sich nach links oder rechts verschieben. 

Du vermutest, an einem Beckenschiefstand zu leiden? Kurz vorab: Wenn du schon länger unter Schmerzen leider, aber noch keine Diagnose erhalten hast, solltest du möglichst schnell einen Osteopathen aufsuchen. Dieser kann dir dabei helfen, gezielt mit Krankengymnastik gegen das Problem anzugehen. 

Beckenschiefstand: Das sind die Symptome

Ein Beckenschiefstand ist tückisch, denn er äußert sich mitunter an Stellen, die auf dem ersten Blick gar nichts mit deinem Becken zu tun haben. „Es sind oftmals Probleme an einer Körperstelle, wo gar nicht die Ursache liegt“, sagt Orthopäde Michael Lehnert. Oder hättest du etwa gedacht, dass hinter einem Fersensporn oder Schmerzen am Oberschenkel ein Beckenschiefstand steht? 

Der Grund für die oftmals unspezifischen Schmerzen liegt in der zentralen Lage des Beckens. Das Becken verbindet Ober- und Unterkörper miteinander und federt so auf der einen Seite Stöße der Beine ab und muss auf der anderen Seite den Oberkörper aufrecht halten. Weil an deinem Becken  auch andere Strukturen hängen, können sich die Beschwerden als Schmerzen an allen möglichen Körperstellen äußern, die du gar nicht mit deinem Becken in Verbindung bringst. Weil ein Beckenschiefstand oftmals mit einer verkürzten Vorderseite einhergeht, kann sich der Schiefstand als Schmerzen in der Rückseite, wie beispielsweise als Fersensporn oder Knieschmerzen, äußern. 

2. Woher kommt ein Beckenschiefstand?

„Beckenschiefstand? Das kommt von unterschiedlich langen Beinen!“ Das hast du bestimmt auch schon mal gehört. Vielleicht wurden dir sogar schon Einlagen für deine Schuhe verschrieben, weil dein eines Bein kürzer als das andere ist. Die gute Nachricht: leichte Unterschiede in der Beinlänge sind völlig normal. Sofern du keine Schmerzen oder Beschwerden hast, musst du diese Differenz deshalb auch nicht zwingend korrigieren. Der Körper kann Differenzen bis zu einem gewissen Grad ausgleichen. 

Gründe für Beckenschiefstand: funktionelle Verkürzung vs strukturelle Verschiebung 

Anders sieht es hingegen aus, wenn die Beinlängendifferenz Schmerzen verursacht. In diesem Fall helfen Einlagen. Laut Orthopäde Michael Lehnert lassen sich 1,5 bis 5 cm problemlos ausgleichen. „Ist die Beinlängendifferenz sehr groß – beispielsweise an die 5 Zentimeter, sollte der Schuh selbst verändert werden“, rät Michael Lehnert. Auch Skoliose, eine strukturelle Verschiebung der Wirbelsäue kann einen Beckenschiefstand verursachen. Genauso kann Skoliose jedoch auch die Folge eines Beckenschiefstandes sein.

Auch wenn es so scheint, ist bei einem Beckenschiefstand nicht immer tatsächlich ein Bein länger als das andere. Oft liegt die Ursache in muskulären Dysbalancen, die dazu führen, dass das eine Bein weiter nach vorne zieht. „Oft liegt eine Verletzung in der Vergangenheit, die zu einer Dysbalance geführt hat“, sagt Michael Lehnert, „das ergibt dann die Anamnese.“ 

Beckenschiefstand durch einen verkürzten Hüftbeuger 

Sitzen ist das neue Rauchen – das gilt besonders in Hinblick auf dein Becken, das durch zu langes Sitzen nicht richtig aufgerichtet werden kann. Durch langes Sitzen (dazu zählt übrigens auch das Sitzen auf dem Spinningbike) verkürzen dein Hüftbeuger, dein Po, die Sehnenplatte und deine Beinbeuger; die Vorderseite wird also immer stärker und zieht das Becken nach vorne. Bei solchen funktionellen Verkürzungen nützen dir keine Einlagen und du musst die Dysbalancen ausgleichen. Krankengymnastik und ein guter Personal Trainer können dir hier helfen, genauso wie Mobilisationsübungen und gezieltes Krafttraining der hinteren Kette. 

Woher kommt der Schmerz beim Beckenschiefstand?

Bei einem Beckenschiefstand kommt es zu einer Nervenreizung, infolge derer sich deine Muskeln zusammenziehen und verkrampfen. Was dir wehtut, sind die verspannten Muskeln, die gegen dein Becken arbeiten. Dieser Schmerz ist im Volksmund übrigens  als „Hexenschuss“ bekannt. Gegen akute Schmerzen hilft hier eine Spritze, langfristig solltest du gegen den Schiefstand ansteuern. 

3. Was kann man gegen einen Beckenschiefstand tun?

Du hast akute Schmerzen und vermutest, dass ein Beckenschiefstand der Grund dafür sein könnte? Dann solltest du zunächst einen Osteopathen aufsuchen. Dieser kann dir dabei helfen den Rücken zu mobilisieren. Neben solchen Sofortmaßnahmen solltest du aber auch langfristig gegen den Schiefstand angehen. 

Grundsätzlich hilft es, regelmäßig zu dehnen. Insbesondere die hintere Kette solltest du bei Problemen im Lendenbereich regelmäßig stretchen. Aber Vorsicht: Beim Dehnen kannst du dich schnell verletzen. Lass dir die Übungen am besten von einem Osteopathen oder Personal Trainer zeigen.

Auch ein starker Core schützt dich vor einem Beckenschiefstand. Falls du jetzt denkst „Klasse, ich mache regelmäßig Sit-ups“, müssen wir dich leider enttäuschen. „Immer nur Crunches helfen gegen einen Beckenschiefstand nicht weiter“, sagt PRIME TIME-Produktchefin Barbara Lohse. Statt immer nur den oberen Teil deiner Bauchmuskulatur zu trainieren, wie es bei Crunches der Fall ist, solltest du deine Bauchmuskeln in der Streckung dehnen. Das machst du zum Beispiel beim Yoga (Kurs verlinken, habe ich nicht gefunden auf der Website). Auch hier solltest du die Ausführung anfangs von einem Trainer begutachten lassen, da andernfalls eine hohe Verletzungsgefahr besteht. Zudem läufst du andernfalls Gefahr, nicht die richtigen Muskeln anzusteuern und deine Kraft aus anderen Körperpartien zu beziehen. 

Bei so vielen Dingen, die du gegen einen Beckenschiefstand tun kannst, wollen wir nicht vergessen, was du lieber nicht tun solltest. So gern wir Sport auch mögen – manche Sportarten sind bei einem Beckenschiefstand leider kontraproduktiv. 

„Grundsätzlich sind einseitige Sportarten nicht empfehlenswert“, sagt Michael Lehnert „immer wenn einseitig belastet wird, wie beispielsweise beim Tennis, wenn nur mit der rechten Hand gespielt wird, verkrampft sich das Becken.“ Auch wenn du eine Sportart exzessiv betreibst – egal ob du nun viel läufst, schwimmst oder Fahrrad fährst – solltest du für einen Ausgleich sorgen. Deshalb sieht man auch immer mehr Marathonläufer oder Triathleten auf der Blackroll. 

Sport ist die beste Prophylaxe – aber Vorsicht nach Verletzungen! 

Muskuläre Dysbalancen, die zu einem Beckenschiefstand führen können, entstehen oft infolge einer Verletzung. Aus diesem Grund solltest du dich nach einer Verletzung, wie zum Beispiel nach einem Kreuzbandriss, erst einmal schonen und alternativ trainieren. Dein Körper braucht in etwa vier bis sechs Wochen, bis nach einer Verletzung  die Bindegewebsstrukturen geheilt sind. Bis dahin ist Ruhe angesagt! Wenn du jetzt trainierst, riskierst du, weiteren Schaden anzurichten. Später kannst du die Zeit dafür nutzen, muskuläre Dysbalancen auszugleichen: Core-Training statt Laufen, Wassergymnastik statt Golf. Wenn du ganzheitlich trainierst wirst du stärker aus deiner Trainingspause zurückkommen, als du vor deiner Verletzung warst.

Stretching, Mobility, Core-Training – das alles klingt für dich nach mehr Arbeit, als dir lieb ist? Dann lass uns dir noch eine letzte Weisheit von unserem Experten Michael Lehnert mit auf den Weg geben: „Unser Körper funktioniert nur in Balance gut.“ 

Wenn du deinen Beckenschiefstand behebst, wirst du demnach nicht nur die Schmerzen los: Du wirst auch leistungsfähiger, stärker im Training und kannst so deinen sportlichen Zielen nachkommen. Wenn das mal keine Win-Win-Situation ist – für dein Becken und dich.

Noch mehr zu diesem Thema erfährst du im Webinar mit Dr. Michael Lehnert und Jan Frieling.